Ich war – wie schon mehrfach erwähnt – in Urlaub und habe auch sonst mir ein bisschen Auszeit von der IT gegönnt. Deshalb ist mir das „Chatkontrolle“ genannte Projekt der EU bisher nicht so wirklich bewusst geworden. Eben habe ich aber darüber gelesen und nachdem in den Foren die Verantwortlichen EU-Beamten bzw. EU-Politiker durch die Bank als „Faschisten“ und/oder „Staatsverräter“ oder noch Schlimmeres oder (wohlwollend) nur als „unfähig“ bezeichnet werden, musste ich mich doch etwas genauer damit beschäftigen. Zumal alle etwas liberalen politischen Kräfte sowie Menschenrechtsorganisationen und Netzaktivisten diese Aktion ebenso massiv kritisieren – auch wenn diese die kräftige Wortwahl in den gängigen Foren vermeiden. Aber als illegal, extrem gefährlich und dennoch weitgehend wirkungslos wird diese Maßnahme wohl durch die Bank angesehen (außer von der EU-Kommission selbst natürlich).
Vordergründig geht es wieder einmal um Kindesmissbrauch. Der Kampf dagegen ist definitiv elementar und zweifelsfrei ungeheuer wichtig. Doch mit solchen Themen bzw. Schlagworten lassen sich leicht Aktionen rechtfertigen, die Grundrechte aushebeln oder gewisse Dinge vernichten wollen. Die klassische Taktik. Ein Problem benennen, gegen dessen Beseitigung niemand etwas haben kann, der nicht Teil der Problems ist. Nach dem Motto: „Wer nichts zu verbergen hat …“. Und dann eine Lösung anbieten, die scheinbar funktioniert. Dass es aber dann u.U. auch andere Ziele gibt, die als unvermeidliche und geringfügige Kollateralschäden dargestellt werden oder möglichst gar nicht auffallen, kann man einfach nicht ignorieren.
Konkret geht es darum, dass in Zukunft alle Kommunikation in Chats komplett überwacht werden soll. Was letztendlich nichts anderes bedeutet, als dass die Verschlüsselung verboten ist oder zumindest Behörden zwingend einen Schlüssel besitzen. Ist das mal etabliert, wird aber vermutlich die Erosion zunehmen und E-Mail darf auch nicht mehr verschlüsselt werden und letztendlich wird das Briefgeheimnis als Grundrecht abgeschafft. Diese Schrittfolge ist zwingend, wenn man die Argumente der EU-Kommission hört. Die EU-Kommission will im ersten Schritt, mit dem die Brandschutzmauer des Datenschutzes bzw. der Grundrechte des Fernmeldegeheimnisse oder die Integrität informationstechnischer Systeme eingerissen werden soll, Hostprovider und Anbieter von Messengerdiensten zur umfassenden Spionage der Internetkommunikation ihrer Kunden verpflichten. Die EU-Kommission nennt das selbst eine „harte, beispiellose und bahnbrechende Gesetzgebung“, wobei diese Formulierung vermutlich eher unfreiwillig deutlich macht, was da angestoßen wurde.
Kritiker sehen es so, dass es solch eine Chatkontrolle nicht einmal in Russland oder China gibt und dass eine solche anlass- und verdachtslose Durchleuchtung sämtlicher Kommunikation einer Demokratie unwürdig bzw. illegal ist. Das Missbrauchspotential ist sogar konzeptionelles Grundprinzip dieser Idee. Ob die Maßnahme auch überhaupt wirkt, ist sehr zweifelhaft, denn die Täter werden einfach auf Messangerdienste ausweichen, die sich den EH-Kontrollmaßnahmen entziehen. Die Opfer sind die unschuldigen Bürger, die IT-Wirtschaft und die Grundrechte.
Aber es steht zu hoffen, dass der Vorschlag politisch abgefangen wird.