Schlagzeile: „Not der IT-Branche ist so groß wie nie“

Spiegel Online hat mal wieder einen Aufhängerartikel, dass so viele IT-Fachkräfte wie nie zuvor fehlen. Die Aussage bedeutet im Grunde für meine zukünftigen Jobanfragen ja goldene Zeiten, wenn das stimmt.

Bezogen wird sich auf Studien vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Diese sagen aus, dass es 2022 bundesweit im Durchschnitt 67.924 offene Stellen im Bereich der IT und lediglich 27.136 Arbeitslose mit einer IT-Qualifikation gegeben hätte. Dazu steige der Bedarf an IT-Fachkräften – insbesondere mit Hochschulabschluss, denn da gäbe es für acht von zehn offenen Stellen keine passenden Bewerber. Was die Lage noch verschlimmere – die Zahl der Studenten in den MINT-Fächern hätte in den vergangenen Jahren abgenommen und es sei sogar mit einem weiteren Rückgang zu rechnen.

Wenn ich zu dem Beitrag das Forum betrachte, werden vor allen Dingen die Bürokratie in Deutschland und die starren Unternehmensstrukturen als Gründe genannt, warum IT-Experten sogar in große Zahl aus Deutschland abwandern und keine aus dem Ausland kommen wollen. Dazu wird auch oft die zu niedriege Bezahlung genannt.

Ich gehe sowohl mit dem Beitrag und der Studie in verschiedenen Punkten nicht dacor und auch nicht mit vielen der Foristen.

Zum Einen zeigen meine Erfahrungen in der Ausbildung von Fachinformatikern, dass diese oft genauso gut wenn nicht besser als Akademiker sind. Viele Stellen, für die Unternehmen unbedingt Akademiker haben wollen, könnten damit gut besetzt werden. Und auch Quereinsteigern. Aber da greift diese typsich deutsche Sucht nach Zertifikaten und Titeln. „Können“ ist irrelevant – ein Wisch mit einem Abschluss ist entscheidend. Hier schießen wir uns selbst ins Bein.

Zum Anderen halte ich die Zahlen für Stimmungsmache. Wieder einmal, denn das hatten wir schon so oft. Die Wirtschaft (und von da kommt ja die Studie) jammert, dass es in einem bestimmten Bereich (Ingenieure, Juristen oder auch mal Lehrer oder was anderes) einen riesigen Bedarf gäbe, zig junge Leute machen die Ausbildung oder studieren das Zeug und am Ende haben wir eine Schwemme, wo sich die Wirtschaft die Besten zu niedrigen Löhnen raussuchen kann und der Rest Taxifahren darf.

Was in dem Forum die Klagen wegen Bürokratie und starren Strukturen in Unternehmen angeht, stimme ich einigermaßen zu. Wobei ich durch meinen Freelancer-Status und die Art meiner Tätigkeiten davon glücklicher Weise verschont bleibe. Aber das kann ich schon glauben. Die Attraktivität von Deutschland für IT-Experten ist extrem gering und da man ja durch Remotearbeit nicht einmal aus Deutschland wegziehen muss, um für ausländische Unternehmen zu arbeiten, sind gerade IT-Experten leicht in der Lage, diesem deutschen Problem zu entgehen.

Heftig finde ich aber immer wieder die Arroganz von IT-Leuten in Foren zur Bezahlung, die etwa 80.000 EUR/Jahr als zu niedrig bezeichnen, um dafür gute Leute zu bekommen. Was nicht bedeutet, dass gute Arbeit nicht gut bezahlt werden muss. Aber man sollte in Relation zu gleichwertigen Jobs aus anderen Branchen bleiben. Wobei wohl niergends soviel gelogen, geprahlt und Stuss von sich gegeben wird, wie bei (natürlich anonymen) Leserbeiträgen in Internet-Foren (von asozialen Netzwerken mal abesehen).

Aber ich tippe sowieso darauf, dass KI sowohl den Bedarf an IT-Leuten massiv absenken wird und damit viele Leute hinsichtlich der Bezahlung sehr bald vom hohen Ross absteigen werden. Die Wirtschaft kann m.E. entspannt bleiben, muss halt nur flexibler werden und auf neue Techniken einlassen.

Alles in Allem wird m.E. hier mit der Kofa-Studie einfach nur eine Sau durch das Dorf getrieben, damit die Wirtschaft so weiter machen kann wie bisher und auch die nächsten Jahre für recht wenig Geld aus einer großen Auswahl Leute rekrutieren kann.

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